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Südkurier
23 Okt 2022

Stille markiert Todes-Takt

Stille markiert Todes-Takt Reiner Jäckle

Die Überlinger Münsterkantorin KMD Melanie Jäger-Waldau inszenierte Mozarts Schicksal mit einem außergewöhnlichen Requiem der Münsterkantorei und der Jugendkantorei. Das Konzert wurde mit großem Bedacht zusammengestellt.

Im Zentrum stand mit Mozarts Requiem eines der großen Sakralwerke der Musikgeschichte, bezugsreich umrahmt und durchdrungen von thematisch und historisch verwandten Kompositionen. Zunächst stimmte Wilhelm Friedemann Bach, ältester Bach-Sohn im Übergang vom Spätbarock zur Frühklassik, mit seiner Sinfonia d – Moll auf Mozarts Requiem -Tonart ein, die gemeinhin als ernstes, dem Jenseits verhaftetes Tongeschlecht gilt. Es folgte Mozarts fast zeitgleich mit dem Requiem im Jahr 1791 entstandenes „Ave verum corpus“. Erst dann setzte die Totenmesse selber ein, um etwa zur Mitte der gesamten Spieldauer im „Lacrimosa“ nach Takt acht sehr unvermittelt unterbrochen zu werden und in eine im gesamten Kirchenschiff hörbare sekundenlange Stille einzumünden. Danach nahm Kirchenmusikdirektorin Melanie Jäger-Waldau den Faden wieder auf, freilich nicht mit Mozarts Tönen, sondern zunächst mit einem kurzen, eingängigen „Pater noster“ aus der Feder des zeitgenössischen lettischen Komponisten Petris Vasks. Erst nach diesem Glaubensbekenntnis fand man sich bei Takt neun wieder ein, und das Requiem nahm seinen bewegten Fortgang.

Warum diese Dramaturgie? Mozart Requiem ist legendenumwölkt. Er konnte das Werk nicht selber vollenden, mitten in der Arbeit an jenem Lacrimosa, eben um den achten Takt herum, ereilte ihn der Tod, als hätte er hier unbewusst seine eigene Seelenmesse geschrieben. Das Werk, wie wir es heute kennen, wurde aus Skizzen Mozarts, von seinem Schüler Franz Xaver Süßmayr vervollständigt. Jene anrührende Stille war also dem Gedanken an Mozarts Tod gewidmet. Die Musiker, die dieses geistreiche Programmgebäude zusammenfügen, verstärkten den Eindruck, eine außergewöhnliche Requiem-Aufführung zu erleben. Das Barockorchester L´arpa festante lieferte mit seinem nuancenreichen, expressiven Klangcharakter dem Ganzen das originalnahe ästhetische Fundament. Einen souveränen Dienst als Sopran-, Alt-, Tenor- und Basssolisten versah das Gesangsquartett mit Sibylla Rubens, Brigitta Schwarz, Andreas Post und Manfred Büttner. Hinter dieser Phalanx professioneller Musiker wirkte eine bestens vorbereitete Münsterkantorei und Jugendkantorei.

Melanie Jäger-Waldaus Dirigat gelang es, die Partitur quasi didaktisch in stimmige, chorische Performance zu übersetzen. Stets bewachte sie den Klang, die Präzision, die Sprache, den Affekt und der gelegentlich erhobene linke Zeigefinger wies in Richtung sauberer Intonation. Wegweisende Gesten hoben Themen und Choreinsätze plastisch hervor, nicht nur das „Cuncta stricte discussurus“ ließ mit guter Artikulation aufhorchen, zwischen dem explosiv drohenden „Dies irae“ und dem flehend – bittenden „Recordare“ entfaltete sich dramatische Bandbreite, und die in Laienchören gefürchteten Allegro – Fugen im „Osanna in excelsis“ und im „Cum sanctis tuis in aeternum“ wurden sehr gut gemeistert. Die stimmschöne Mitwirkung der Jugendkantorei ließ den Chorklang hell erstrahlen. Mozart Requiem forderte den Chor in einen hohen Leistungsbereich, dem er sich absolut überzeugend näherte. Nicht jede Requiem-Aufführung gibt so wie diese hier Anlass zu nachhaltiger Erinnerung.

Hartmut Ferenschild

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