Aktuelles / Pressespiegel

Südkurier
11 Apr 2022

Münsterkantorei Überlingen glänzt mit Auswahl und Qualität

Münsterkantorei Überlingen glänzt mit Auswahl und Qualität Dominik Mattes

Man muss die grandiosen Passionen eines Johann Sebastian Bach nicht geringschätzen, um Freude an den Vertonungen der christlichen Leidensgeschichte anderer, vielfältigerer Provenienzen zu empfinden. Eindrucksvoll bewies dies die Überlinger Münsterkantorei bei ihrem Passionskonzert im Nikolaus-Münster, dem ersten, das nach zweijähriger Unterbrechung wieder stattfinden konnte.

Eine die Jahrhunderte durchschreitende ausgeklügelte Programmauswahl und ein differenziert bemessenes künstlerisches Personal sorgten dafür, dass man das überlieferte Leidensgeschehen in ganz unterschiedlichen tondichterischen Ausdeutungen facettenreich erleben konnte.
Im ersten Abschnitt widmete sich der Chor der Münsterkantorei einigen Motetten zur Passionszeit, deren Urheber zeitlich im 16. bis 20. Jahrhundert und regional in Frankreich, Spanien, Litauen und Italien zuhause waren.

Der Chor zeigte hier, dass er in der Hohen Schule des – nicht von Instrumenten begleiteten – A-cappella- Gesangs durchaus Heimrecht beanspruchen kann, wenn er etwa Maurice Duruflés impressionistisch changierende Harmonik intonationssicher zu präsentieren und die ganz unterschiedlichen Musikstile und Ausdruckswerte zwischen Gotteshuldigung und Seelenschmerz glaubwürdig darzustellen wusste. Die Kantorei, von Melanie Jäger-Waldau sehr instruktiv dirigiert, war im hinteren Teil des Chorareals klanggünstig platziert. Den Schlussstrich unter diesen Teil des Programms zog virtuos der Konstanzer Kirchenmusiker Martin Weber an der großen Münsterorgel mit Nicolaus Bruhns’ „Großem Präludium e-Moll.“ Damit machte sich – Bruhns war Buxtehude-Schüler – zwischendurch auch norddeutsch-barocke Polyphonie im Münster breit.

Einen räumlich wie musikalisch gründlichen Szenenwechsel brachte der zweite Teil des Konzertes mit Théodore Dubois‘ „Les Sept Paroles du Christ“ – „Die Sieben Worte Christi“,
einem kleinen, im Jahr 1867 komponierten hochdramatischen Oratorium in sieben Bildern.
Dubois’ Vertonung der Christusworte am Kreuz zählt in Frankreich seit anderthalb Jahrhunderten zu den meistaufgeführten Passionsmusiken, bis 1965 hatte sie an jedem Karfreitag ihren festen Platz in der Pariser Madeleine-Kirche und erreichte damit eine Präsenz, die diesseits des Rheins nur den Bach’schen Oratorien beschieden ist. Der Komponist ergänzt hier die in den Evangelien überlieferten Kreuzesworte durch weitere Texte nicht nur biblischen Ursprungs, die das Karfreitagsgeschehen perspektivenreich beschreiben und religiös-emotional bewerten.

Die Münsterkantorin hatte, Corona-gewitzt, eine kleine kammermusikalische Fassung dieses ursprünglich symphonisch besetzten Werkes bearbeitet: Acht Musiker agierten quasi-solistisch an Streichinstrumenten, Harfe, Pauken und der Orgel, letztere wiederum versehen durch Martin Weber. Dazu traten ein Trio von Gesangssolisten und der ohnehin überschaubar besetzte Münsterkantorei.

Kein großkalibriger Apparat also, aber ein hochkarätiger, aus dem, neben der Sopranistin Sabine Winter und dem Bassbariton Marco Vassalli, der russische Tenor Alexander Yudenkov mit geschmeidiger Strahlkraft herausragte. Ein breites Spektrum an Ausdrucksstärke tat sich da auf, ein Wechsel aus Klagegesang, Hohngelächter, Gebet, Anklagegeschrei, Mahnung. Und die Tonsprache entführte in die katholisch-romantische französische Kathedralmusik. Dort finden sich die Moll-Werte von Trauer und Verzweiflung, aber auch das Dur des Einverständnisses und sogar des Triumphs. Der Karfreitag ist eben auch der Vorgriff auf Ostern. Reformierte Gemüter betonen da den Opfertod, während andere die Auferstehung als höchsten Festtag begehen. Das Opus passte also auf doppelte Weise, theologisch und musikästhetisch, exzellent ins katholische Gotteshaus. Das kleine Ensemble, unterstützt von der voluminösen Münsterakustik, ließ Wünsche nach Klangbombast nicht aufkommen, der Gewinn lag in guter Durchhörbarkeit und fein nuanciertem Ausdruck.

Wer den Weg ins Münster gefunden hatte, der wurde beifallfreudiger Zeuge eines außergewöhnlichen Konzerts.

Hartmut Fehrenschild

Jahresüberblick 2024

Unser aktuelles Jahresprogramm als PDF.

PDF (1,8 MByte)
Münster

Kontaktadresse

Überlinger Münsterkonzerte e.V.

Münsterplatz 1
88662 Überlingen

Tel. +49 (0) 7551 805 52 50 oder
Tel. +49 (0) 7551 948 50 22

E-Mail: mail@ueberlinger-muensterkonzerte.de

reservix