Aktuelles / Pressespiegel

Südkurier 25.11.2015
22 Nov 2015

Das „Vater unser“ mit Notenschlüssel• Wie das zentrale Gebet der Christenheit klingt.


Ein berührendes geistliches Konzert war im Überlinger Münster zu hören. Es sangen und musizierten unter der Leitung von Melanie Jäger-Waldau der Münster- und Kammerchor Überlingen, Dieter Hubov (Orgel) und Isabell Marquardt (Mezzosopran).
Das „Vater unser“ mit Notenschlüssel• Wie das zentrale Gebet der Christenheit klingt. Bild: Bernhard Conrads

Zweifellos ist das Chorkonzert des Münster- und Kammerchors Überlingen im Münster eines der berührendsten Konzerte in der langen Geschichte der Münsterkonzerte gewesen. Manche mögen das Gefühl gehabt haben, in ein Konzert hineingegangen und aus einem Gottesdienst herausgekommen zu sein. Verwunderlich erscheint das nicht, schließlich ging es, dies sogar einzig, um das Gebet Vaterunser, das wohl wichtigste Gebet der Christenheit.
Es ist das Gebet, das auf Jesus Christus zurückgeht und in allen drei synoptischen Evangelien überliefert ist sowie in allen christlichen Kirchen und Konfessionen gebetet wird. Doch dieser sicherlich wichtige Bezug allein reicht nicht, um die außergewöhnliche Wirkung des geistlichen Konzerts zu erklären. Es war die überaus große Sensibilität im Dirigat der Münsterkantorin Melanie Jäger-Waldau und daraus resultierend die überzeugende Sensibilität des Chores, der zum Konzerterfolg beigetragen hatte. Dazu der ebenso sensible und wunderschöne Sologesang von Isabell Marquardt, behutsam an der Marienorgel begleitet von Dieter Hubov.
Hubov interpretierte mit sicherem Gespür für richtige Tempi und angemessenen Registrierungen an der großen Nikolausorgel zudem die 6. Orgelsonate in d-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy. In dieser wird der evangelische Choral „Vater unser im Himmelreich“ (EG 344) mehreren Sätzen zunächst verhaltend, dann aber jäh im Fortissimo mit Cantus firmus im Pedal sowie mittels einer Fuge variiert. Erstaunlich erscheint, von Mendelssohn erst nachträglich hinzugefügt, das wieder versöhnlich wirkende Finale in D-Dur von Schubert'scher Süße.
Der Choral „Vater unser im Himmelreich“, dessen Melodie auf das 14. Jahrhundert zurückgeht und dessen Text Martin Luther im Jahr 1539 schrieb, war beherrschendes Thema in ersten Konzertteil. Höchst wirkungsvoll war der Einzug des Chores von der Westseite des Münsters aus durch die beiden Gänge der Seitenschiffe. Ein Erlebnis aus Raum und Klang: auf „Nünü“ singend intonierte der Chor diesen Choral im Satz von Gotthard Erythräus, um sich dann im Chorraum aufzustellen.
Genial war die Aufteilung der Luther'schen Texte auf frühbarocke Chorsätze von Erythräus, Melchior Franck und Johann Eccard. Völlig neue Aspekte mit eigenen Textauslegungen boten die Vertonungen von Heinrich Schütz, Andreas Hammerschmidt und Johann Sebastian Bach. In gefühlvoller, romantischer Tonsprache folgte der Satz von Rudolf Mauersberger, in dem der Chor in einen Dialog mit Marquardts warmer Solostimme trat.
Zeitgenössisch wurde es mit Aleksandar Vulics Version des „Vater unser“: expressiv, eindringlich und mit verschärfenden Dissonanzen. Gesteigert wurde dies noch von Wolfgang Stockmeiers Sprechgesang. Ein Lied ohne Töne, das völlig neue Aspekte des Gebets lieferte. Litaneiartiges Gemurmel steigerte sich zum Fortissimo mit laut gestoßenem „Va-ter-un-ser-im-Him-mel“-Aufschrei, gleichsam einem Gebet verzweifelter Menschen. Mit romantischen Sätzen von Tschaikowski, Rheinberger, Verdi, und Liszt wurde es wieder kontemplativer und näherte sich damit der Form, so wie Christen in aller Welt dieses Gebet gewöhnlich beten: innig und besinnlich. Ganz langer Applaus.
Bernhard Conrads

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